Günther Oberhollenzer, curator of the Landesgalerie Niederösterreich about Robert Leprohon - Vienna 2018
A very enlightening speech from Günther Oberhollenzer, curator of the State Gallery of Lower Austria about Robert Leprohon in Vienna 2018
Read here in both its orignal german version and english translation :
Listening to the Light
Robert Leprohon, Marc Adrian, Karl Hikade, Edgar Knoop, Leo Zogmayer
zs art Galerie, 5.11. - 12.11.2018
Eröffnungsrede Günther Oberhollenzer
In der Ausstellung „Listening to the Light“ feiern wir das Werk des kanadischen Künstlers Robert Leprohon, dessen wunderbare Malereien nicht nur in Österreich sondern überhaupt das erste Mal zu sehen sind. Und wir feiern das Werk von vier weiteren Künstlern, von Marc Adrian, Karl Hikade, Edgar Knopp, Leo Zogmayer, das in einem spannungsvollen wie inspirierenden Dialog zu Leprohons Arbeiten gestellt wird. Durch die Arbeiten der österreichischen Künstler können wir auch das Werk unseres kanadischen Gastes besser einordnen und erspüren, gibt es doch einige Verwandtschaften und Gemeinsamkeiten.
Robert Leprohon ist 92 Jahre alt und malt schon seit über siebzig Jahren. Der Künstler arbeitete als Werbeillustrator, später war er Leiter der Öffentlichkeitsarbeit bei der University Press in Quebec. Seiner malerischen Leidenschaft ging er in seiner Freizeit, meist abends nach. Auch heute noch, lange schon in Pension, steht der Künstler täglich in seinem Atelier. Die Malerei ist überlebenswichtig für ihn, doch er hielt sich Zeit seines Lebens vom Kunstbetrieb fern und stellte seine Arbeiten nie aus (mit Ausnahme der Teilnahme bei einer Gruppenausstellung im Museum der Schönen Künste in Montreal 1947). Gleichzeitig war Leprohon mit den großen Kunstbewegungen seiner Zeit vertraut, er war mit Künstlern befreundet und zwei Jahrzehnte mit der expressionistischen Malerin Gisèle Leclerc verheiratet. Einen engen Kontakt pflegte er mit der Künstlergruppe „Les Automatistes“, die in Quebec in den 1940er Jahren gegründet wurde und sich auf den Surrealismus und dessen malerischen Automatismus berief. Sie suchten nach einer intuitiven, lyrischen Abstraktion mit unverwechselbarer kanadischer Handschrift. Doch künstlerisch noch näher war ihm das „Plasticien mouvement“, eine nicht figurative Malereibewegung, die in den 1950er Jahren in Quebec auftauchte. Als Reaktion auf „Les Automatistes“ strebten diese nach einer geordneteren abstrakten Malerei – vom Glauben, getragen, dass die formale Ebene der Malerei selbst (die Linie, Fläche, Kontraste, Farbe und Textur) mindestens gleich dramatisch und emotional sprechen könne wie ein surrealistischer Automatismus. Eine minimalistischer Ansatz, den durchaus auch auf Leprohon vertritt. Im Zentrum seines Schaffens steht unumstritten das Licht, in den Malereien versucht der Künstler, es mit starken Farben einzufangen. „I am listening to the light, to the silence“, so Leprohon. Er entwickelt einen eigenen „Licht-Code“, die Farben werden zum persönlichen Alphabet, verwoben in klaren geometrischen Mustern, Strukturen und Formen.
Die Faszination für das Licht gibt es schon lange in der Kunst, so auch im Orphismus. Der französisch-italienische Dichter und Kunstkritiker Guillaume Apollinaire hat Anfang des 20. Jahrhunderts den Begriff des „orphischen“ Kubismus geprägt. Darunter versteht er eine Kunst, die in der Lange ist, „neue Ganzheiten mit Elementen zu malen, die nicht der visuellen Wirklichkeit entlehnt, sondern gänzlich vom Maler erschaffen wurden. Die Werke der orphischen Maler sollen ein ungetrübtes ästhetisches Wohlgefallen hervorrufen, zugleich aber eine sinnfällige Konstruktion und eine sublime Bedeutung: das Sujet wiedergeben“.[1] Diese neue Richtung möchte nicht länger Schönheit darstellen, die mit dem Vergnügen der Menschen an der Natur zusammenhängt. „Die neuen Künstler suchen nach einer idealen Schönheit, die nicht mehr nur stolzer Ausdruck der Menschheit sein wird, sondern der Ausdruck des ganzen Universums, in dem Ausmaß, wie es sich im Licht vermenschlicht.“[2] Beim Lesen dieser Zeilen könnte man glauben, Apollinaire schreibt direkt über das Werk von Robert Leprohon.
Die Abkehr von einer Kunstauffassung, die auf einer figürlichen Wiedergabe der äußeren Realität basiert, führt auch bei Leprohon zu einer Autonomie der Farbe und Form. Seine Arbeiten sind formell durchaus streng komponiert, aber nicht nüchtern konstruiert. Lebenslang erforscht der Künstler das emotionale Potential von Licht und Kolorit und setzt dieses in einer poetischen wie musikalischen Bildsprache um. Viele Arbeiten haben musikalische Titel, Musik dient als Inspiration. Die Malereien haben synästhetischen Charakter (eine Kopplung zweier physisch getrennter Bereiche der Wahrnehmung wie etwa Klang und Farbe). Leprohon malt Musik, vibrierend und gefühlvoll, uns einnehmend und berührend. Nochmals zurück zum Orphismus. Dessen Ziel war es, der reinen Musik eine reine Malerei entgegenzusetzen, die aufgelöst vom Gegenständlichen eine rhythmische Farbharmonie darstellen sollte. Farbe und ihre räumliche Wirkung sind wesentliches Kompositionselement. Licht ruft nicht nur Farbe hervor, sondern ist selbst Farbe. So wie in Leprohons Bilder. (…)
Ich möchte es wagen, die Ausstellung als “schön’ zu bezeichnen. Mit Künstlern verschiedener Generationen und Ländern, mit ihren unterschiedliche und doch harmonierenden Arbeiten ladet sie uns ein, uns mit Grundthemen einer geometrisch abstrakten Kunstauffassung auseinander zu setzen. Und sie est schön, inspirierend und herausfordernd, da vor hier erstmals die Möglichkeit erhalten haben, in das so außergewöhnliche Werk Robert Leprohon einen Einblick zu bekommen.
1] Guillaume Apollinaire, quoted from: Nina Schallenberg (ed Stimmen des Lichts – Delaunay, Apollinaire und der Orphismus, Ausstellungskatalog Wilhelm-Mack-Museum, Ludwigshafen, Hirmer Verlag, Munich 2018, p. 9. English translation taken from: http://theoria.art-zoo.com/from-the-cubist-painters-chapter-vii-guillaume-apollinaire/
[2] Ibid.
Listening to the Light
Robert Leprohon, Marc Adrian, Karl Hikade, Edgar Knoop, Leo Zogmayer
zs art gallery, 5.11. - 12.11.2018
by Günther Oberhollenzer
The exhibition Listening to the Light celebrates the work of the Canadian artist Robert Leprohon, whose wonderful paintings are on show for the first time, not only for the first time in Austria, but for the first time ever. And we celebrate four other artists - Marc Adrian, Karl Hikade, Edgar Knopp, Leo Zogmayer - whose work engages with Leprohon’s oeuvre in an exciting and inspiring manner. The work of these artists from Austria also helps us to get a better sense of the paintings of our Canadian guest, as there are some commonalities and affinities.
Robert Leprohon is 92 years old and has been painting for more than seventy years. Leprohon started out as an advertising illustrator and later became head of public relations at Les Presses de l'Université Laval. He pursued his creative passion in his spare time, mostly in the evening. Having retired many years ago, the artist is still working in his studio every day. Painting has always been a vital necessity to him, but he has shunned the art market throughout his life and never exhibited his work (except for one group exhibition at the Museum of Fine Arts in Montreal in 1947). Even so, Leprohon always kept abreast of the great art movements of his time, he had artist friends, and for two decades he was married to the expressionist painter Gisèle Leclerc. He maintained close contact with the artist group Les Automatistes, which was founded in Quebec in the 1940s and had its roots in Surrealism and the surrealist notion of automatism. Les Automatistes were looking for intuitive, lyrical abstraction with an unmistakably Canadian flavour. Even closer to his artistic heart were Les Plasticiens, a non-figurative movement that emerged in Quebec in the 1950s. In response to Les Automatistes, they were striving for a more rigorously structured type of abstraction. It was based on their belief that the formal level of painting as such (line, surface, contrasts, colour and texture) was at least as dramatic and emotional as surrealist automatism - a minimalist approach which Leprohon also endorses. Without any doubt, it is the light which is at the centre of his oeuvre, and in his paintings the artist tries to capture it with strong colours. “I am listening to the light, to the silence”, says Leprohon. He develops his own “light code”; the colours are transformed to a personal alphabet, interwoven in clear geometric patterns, structures and forms.
The fascination for light has long existed in the arts, Orphism being a case in point. The French-Italian poet and art critic Guillaume Apollinaire coined the term "Orphic Cubism” at the beginning of the 20th century. He defined orphic cubists as artists capable of “painting new structures out of elements which have not been borrowed from the visual sphere, but have been created entirely by the artist himself. The works of the Orphic artist must simultaneously give a pure aesthetic pleasure, a structure which is self-evident, and a sublime meaning, that is, the subject”.[1] This new tendency no longer wants to represent a beauty related to human enjoyment of nature. "The new artists demand an ideal beauty, which will be, not merely the proud expression of the species, but the expression of the universe, in so far as it has been humanized by light.”[2] Reading these lines one might think Apollinaire writes directly about the work of Robert Leprohon.
Turning his back on an art concept based on a figurative representation of external reality led Leprohon to subscribe to the autonomy of colour and form. While rigorously composed in formal terms, his works are not soberly constructed. Throughout his life, the artist has been exploring the emotional potential of light and colour and translated it into a poetic and musical visual language. Many works have titles relating to music, and music serves as an inspiration to him. The paintings have a synesthetic character (a combination of two physically distinct areas of perception such as sound and colour). Leprohon paints music, vibrant and soulful, engaging and moving. But let’s return to Orphism: Its aim was to juxtapose pure music and pure painting, which, divested from its representational aspect, was to represent a rhythmic harmony of colours. Colour and its spatial impact are essential elements of the composition. Light not only evokes colour, but light is colour in itself – the paintings of Leprohon are vivid testimony to that. (…)
I would venture to say that this exhibition is “beautiful”. It presents artists of different generations and countries, their works very different and yet harmonious. It is an invitation to explore core themes relating to a geometric/abstract notion of art. And it is beautiful, inspiring and challenging, since it is the first opportunity to learn about the extraordinary work of Robert Leprohon. (…)
English translation: Susanne Watzek
[1] Guillaume Apollinaire, quoted from: Nina Schallenberg (ed Stimmen des Lichts – Delaunay, Apollinaire und der Orphismus, Ausstellungskatalog Wilhelm-Mack-Museum, Ludwigshafen, Hirmer Verlag, Munich 2018, p. 9. English translation taken from: http://theoria.art-zoo.com/from-the-cubist-painters-chapter-vii-guillaume-apollinaire/
[2] Ibid.